Dieses Wochenende war es endlich soweit. Der Zugspitz Ultratrail in Grainau stand an, mit uns (mein Kollege Peter und ich) als Teilnehmern auf der kürzesten Strecke, dem Basetrail. Läppische 36 km und 1900 Höhenmeter standen auf dem Programm. Naja, jedenfalls relativ „läppisch“ wenn man die Werte mit denen vom Supertrail oder dem namensgebenden Ultratrail vergleicht. Die Verrückten, die sich nämlich bei den anderen Läufen eingeschrieben haben, bekommen es mit 68 km oder sogar 100 km zu tun. Unglaublich. Für uns waren ja schon die 36 km unglaublich genug.

Am Freitag haben wir uns früh von der Arbeit verabschiedet. 14:00 Uhr war Ende und wir sind von Heilbronn in Richtung Garmisch aufgebrochen. Der Verkehr hat gepasst und so kamen wir gegen 18:00 in Garmisch an. Also einigermaßen pünktlich, denn um 18:00 sollte die Pastaparty steigen. Wir erst noch schnell zum einchecken ins Hotel und dann die zwei Kilometer zum Renngelände gegangen. Ein bisschen die Beine in Schwung bringen ist ja nicht ganz verkehrt. Dort angekommen ging es flott zur Registrierung: Haftungserklärung abgeben (damit bestätigt man, dass man selbst Schuld ist, wenn man unterwegs zusammenklappt, in eine Schlucht fällt oder von einer Gams gefressen wird), 50 € Kaution abgeben und schon bekommt man die Startnummer, den Transponder (dafür die 50€), diverses Infomaterial, die Startnummer und das Ticket für die Pastaparty ausgehändigt. Die Organisation war einwandfrei und wir hatten allen Kram schnell zusammen. Nun weiter ins Zelt zu Pastaessen und Läuferbriefing.

Spätestens hier konnte man sehen, wie sehr dieses Event innerhalb eines Jahres gewachsen ist. Wo letztes Jahr ca. 800 Teilnehmer auf 2 Distanzen teilgenommen haben, waren dieses Jahr ganze 1650 Läufer auf 3 Distanzen am Start. Zum einen waren ca. 400 Teilnehmer beim  neu ausgetragene Basetrail hinzugekommen, zum anderen haben sich aber auch auf den langen Strecken noch mehr Verrückte gefunden. Dieser Anstieg der Teilnehmerzahl führte dazu, dass das Zelt bei weitem nicht ausreichte um allen Läufern einen Sitzplatz zum Essen zu bieten. Aber da sind wir Naturburschen und Naturburschinnen ja flexibel und so nahmen bestimmt 100 Leute einfach auf der Erde Platz und aßen da gemütlich ihre Pasta. Jetzt ist schon so oft das Wort Pastaparty gefallen und ich weiß gar nicht ob jede weiß was das ist: Im Preis für die Anmeldung inbegriffen ist quasi ein All-you-can-eat-Pastaessen am Vorabend der Läufe. Das sieht dann so aus, dass man mit einer Schöpfkelle, in der man ein Baby baden könnte, einen Berg Nudeln auf einen Pizzateller geknallt bekommt, der so hoch ist, dass man kaum drüber schauen kann. Dann kommt noch eine ebenso große Kelle Bolognesesauce drüber und ab dafür. Kohlenhydratspeicher auffüllen und so. Wer am nächsten Tag angreifen will, der ißt 2 Teller. Erstaunlicherweise waren die Nudeln gut gekocht und auch die Sauce echt lecker. Bei den Riesenmengen (zur Erinnerung: 1650 Läufer!!!), echt erstaunlich. Da können sich die meisten Kantinen was abschauen. Nachdem wir den Riesenteller verputzt hatten, begann auch schon das Briefing. Hier wurde nicht viel neues erzählt, sondern hauptsächlich nochmal das komplette Reglement vorgelesen (das hatten wir aber vorher schon auf der Homepage eingehend zustudiert). Die einzige neue Information waren die Wetteraussichten, und die waren sehr positiv. Angenehme 20 Grad, evtl. ein bisschen Regen, leichter Nebel. Perfekt eigentlich, denn bei 30 Grad und Sonnenschein wäre das eine ziemliche Tortur geworden. Dann noch ein alkoholfreies Weizen und dann zurück ins Hotel und da langsam ins Bettchen.

Am Samstag gings nach einem gemütlichen Frühstück um 9:30 los Richtung Mittenwald, wo unser Start sein sollte. Als Basetrailer konnte man es morgens ruhig angehen lassen, da unser Startschuss erst um 11:00 fallen sollte. Die Ultra- und Supertrailer waren schon seit 7:15 bzw. 9:00 auf der Strecke. Glücklicherweise hatten wir einen Privattransfer nach Mittenwald. Mein Bruder Steffen ist als moralische Unterstützung nach Garmisch gekommen und fuhr uns zum Start. Andernfalls wäre das auch kein Problem gewesen, denn wir hatten auch noch einen Bustransfer bei der Anmeldung gebucht. Aber so im Auto ist es doch etwas bequemer. In Mittenwald angekommen scharrten schon viele Läufer mit den Hufen und warteten auf den Checkin um 10:15. Checkin heißt hier, dass man in die Startaufstellung rein darf. Das ist ein abgesperrt Bereich hinter der Startlinie, in den man jedoch nur reinkommt, nachdem die Ausrüstung überprüft wurde. Im Reglement sind nämlich verschiedene Kleidungsstücke und Ausrüstungsgegenstände vorgeschrieben, die man in einem Rucksack mit sich führen muss, damit man bei einem Kälteeinbruch auf dem Berg nicht erfriert und um Hilfe rufen kann. Auch das ging flott vonstatten und ab 10:30 waren wir bereit. Beim obligatorischen Begutachten der anderen Teilnehmer stellte man schnell fest, dass man hier nicht 5km Ortslauf ist: Professionelles Equipment und durchtrainierte Körper soweit das Auge reicht. Und zu meiner positiven Überraschung auch viele Mädels anwesend. Verrückt, wer sich das alles antut.

Nachdem die Läufer mit Iron Maiden und AC/DC auf Touren gebracht wurden ging es dann um 11:00 endlich los. Neutralisierter Start: Wir liefen erstmal im Pulk hinter einem Auto her, weil es zunächst durch die Innenstadt von Mittenwald ging. Viel Betrieb auf den Straßen, viel Anfeuerung, das macht Laune. Nach einigen Minuten waren wir dann aus dem Ort raus und es ging in die Natur auf die ersten schmalen Wanderwege. Am Anfang kam es noch zu einigen Staus an engen und/oder steilen Passagen, weil natürlich das Feld noch sehr eng beieinander war. Aber nach 15 – 20 Minuten hatte sich dann alles soweit auseinander gezogen, dass man ungehindert laufen konnte. So ging es die ersten Kilometer einen Forstweg mit schon ganz ordentlich Steigung entlang. Nach 5 km kamen wir zum Ferschensee mit der ersten Verpflegungsstation, aber da wir erst knapp 40 Minuten unterwegs waren, war noch keine längere Pause notwendig. Weiter ging die Forststraße in Richtung Partnachklamm und es ging stetig bergauf. Flache Passagen nahmen wir im leichten Trab, sobald es etwas steiler wurde, sind wir gegangen. Die Stöcke immer in Benutzung ging es so ganz gut voran. So zog sich das gute 1,5 Stunden bis wir den Kälbersteig erreichten.

Hier gings dann erstmal richtig bergab, von 1230 Hm bis auf 800 Hm runter zum oberen Ende der Partnachklamm. Bis hier war der Lauf ok. Das drumherum und alles war toll, die Strecke noch nicht so der Burner, weil fast nur Forstweg. Aber jetzt wurde es geil. Ein schöner Single Trail zieht sich steil durch den Wald nach unten. Waldboden mit Wurzeln, aber kein Geröll, immer mal Stufen, aber nicht zu viele, kurze Gegenanstiege, dann wieder Stücke wo man einfach mal laufen lassen kann. Ein Träumchen. Ich bin ziemlich schnell den Weg runtergeschossen. Nur überholen, nicht überholt werden. Gogogo. Unter angekommen wollte ich nur noch jubeln. Die Verpflegungsstation an der Partnach kam dann auch genau richtig um die Reserven wieder aufzufüllen.

Wahrscheinlich hat das Ganze aber ein bisschen zu viel Spaß gemacht und wir hätten es langsamer angehen lassen sollen. Denn nach der Verpflegungsstation geht es gleich wieder sehr steil hoch zum Forsthaus Graseck, und da stand für Peter der Mann mit dem Hammer. Seine Beine wollten nicht mehr so wie er es wollte, und wir mussten kurz stoppen. Nach einigen Diskussionen, die sich auch direkt in einen zweitklassigen Actionfilm übertragen ließen („Geh weiter und lass mich zurück“, „Niemand wird zurückgelassen“, „Ich schaff das auch allein fertig“, „Wir machen das zusammen“ … naja, nicht ganz O-Ton, aber fast ), ging es dann weiter. Wir nahmen das Tempo raus und machten immer mal wieder kurze Päuschen bis wir die Partnachalm erreicht hatten. Von da ab wurde das Gelände fürs Erste wieder etwas flacher über eine Forststraße und wir konnten wieder ein regelmäßiges Tempo aufnehmen. Bergab leichter Trab, Bergauf gehen mit Stockeinsatz.

Ab ca. 20 km begann dann die Krönung des Ganzen: Von ca. 1100 Hm mussten wir hoch auf 2000 Hm. Die Forststraße endete bald und es ging auf einen schmalen Trail in Serpentinen den Berg hinauf. Kehre um Kehre auf dem schmalen Pfad nach oben. Vor einem schnaufende Leute und hinter einem schnaufende Leute. Überholen geht nur, wenn jemand auf die Seite geht. Aber es gehen viele Leute auf die Seite. Das Überholenlassen ist ein willkommener Grund für eine kleine Verschnaufpause. So geht es nach oben, man überholt immer wieder dieselben Leute und wird auch wieder von ihnen überholt. Peter ist am kämpfen, will mich wieder mehrmals wegschicken, aber ich ignoriere ihn und versuche ihn stattdessen anzufeuern. Vielleicht werde ich dabei manchmal etwas zu bestimmt, denn irgendwann sagt Peter, dass ich ganz klar Wesenszüge meines Vater in mir trage (wer meinen Dad kennt, kann sich vielleicht vorstellen was er meint 😉 ). Der Weg zieht sich ewig. Und die Tatsache, dass uns hier die ersten Supertrailläufer überholen, macht es nicht einfacher. Zum Verständnis: Diese Maschinen sind nur 2 Stunden vor uns gestartet, haben aber schon 32 km und 1000 Hm mehr in den Knochen … und die fliegen jetzt geradezu an uns vorbei. Unglaublich.

Doch auch diesen Aufstieg überwinden wir schließlich. Auf 1600 Hm ist die nächste Verpflegungsstation direkt wenn man aus dem Wald heraustritt. Die ist nun aber auch wirklich nötig. Jetzt heißt es erstmal Essen und Trinken fassen. Orangen, Melonen, Wasser, Iso-Drink, Müsliriegel, Powergel … alles rein. Denn die letzten 20 Minuten hatte ich schon so ein richtiges kleines Loch im Bauch. Jetzt nur noch 400 Hm und dann haben wir es geschafft … jedenfalls was den Aufstieg angeht. Nach einer kurzen Verschnaufpause machen wir uns auf den Weg. Ab jetzt geht es nur noch über einen breiten, monotonen Forstweg nach oben. Hier oben ist es leider nebelig. Kein Blick auf die umliegenden Berge. Schade. Aber dafür sieht man auch nicht wo man noch hin muss. Das ist vielleicht ganz gut. Für die müden Beine ist jetzt so eine Forststraße vielleicht auch nicht das Schlechteste: Keine großen Stufen mehr, einfach nur gleichmäßig hochlaufen. Einen Fuß vor den anderen, schön langsam, Stockeinsatz nicht vergessen. Man versucht das Ziel zu erahnen, doch man sieht nix. Und dann plötzlich, taucht mein Bruder in der Nebelsuppe auf. Er ist mit der Alpspitzbahn hoch auf den Berg gefahren und wartet hier schon seit geschlagenen 1,5 Stunden im Nebel auf uns. Vielen Dank!!! Wie aus dem Nichts haben wir das Ziel erreicht. Also hatte der Nebel doch was Gutes … es ist immer schön wenn man urplötzlich am Ziel ist. Wir halten erstmal für einen kurzen Plausch und machen Fotos.

Doch was heißt hier eigentlich Ziel. Nix Ziel. Wir stehen hier auf 2000 Hm und Grainau liegt auf ca. 750. Das heißt, jetzt geht es erst richtig auf die Knochen. Bergab versuchen wir jetzt noch ein bisschen was rauszuholen. Es geht nun auf einem anderen Weg wieder zurück zur letzten Verpflegungsstation. Doch dieser Weg ist keine Forststraße sondern wieder ein schöner Trail. Hier kommen wir sogar noch über 2 kleine Schneefelder drüber. Ein bisschen rutschig, aber wenn man langsam geht, kein Problem. Trotzdem ist der gesamte Weg noch ziemlich nass und rutschig, was den Abstieg einigermaßen anspruchsvoll macht. Vor allem wenn man langsam echt schwere Beine hat. Ohne größere Zwischenfälle kommen wir bei der Verpflegungsstation an und stärken uns nochmal für den finalen Abstieg. Jetzt sind es nur noch 6 km zum Ziel. Gerade als wir los wollen, sehen wir den verrücktesten der ganzen Ultratrail-Bande. Der Führende im Ultratrail, Philipp Reiter, kommt gerade das erste mal zur Verpflegungsstation. Der Kerl hat zu dem Zeitpunkt schon 90 km in den Knochen, ist nur 3:45 Stunden vor uns losgerannt, und sieht frischer aus als ich, wenn ich gerade die Treppe zu meiner Wohnung genommen habe. Ich hasste ihn. Jedenfalls für einen kurzen Moment. Jetzt geht’s wieder ;-).

Aber es hilft ja nix, wir müssen los. Runter, immer nur runter. Vielleicht schaffen wir es vor dem Ultratrailsieger ins Ziel zu kommen (der hat ja schließlich erstmal noch den Schlussanstieg vor sich). Das wär ja noch was. Nach anfänglichem Laufen müssen wir wieder vermehrt ins Gehen wechseln, gerade bei den steileren Bergabpassagen. Der Weg ist hier stellenweise sehr nass und rutschig, oder man hat viel Geröll. Genau das richtige, wenn die Beine langsam den Dienst quittieren. So kämpfen und zittern wir uns langsam bergab. Doch auch diese Strecke geht vorüber. Hier sind nochmal einige Stellen, bei denen ich bedauere, dass kein schöneres Wetter ist. Ich glaube es hätte noch einige gute Aussichtspunkte auf diesem Wegstück gegeben, aber der Nebel hängt noch am Berg und wir sehen so gut wie nichts. Dann endlich das Schilder „Nur noch 2 km“ und wir verlassen den Wald. Jetzt geht es nur noch über eine Straße durch Grainau bis zum Ziel. Nur flach, kein Anstieg, kein Gefälle, eine Wohltat für die Knochen. Dazu stehen vereinzelte Zuschauergruppen an der Straße und feuern einen an. So werden die restlichen Meter ganz gut erträglich. Nach 7:03 Stunden erreichen wir endlich das Ziel. Erschöpft und Glücklich. Geiles Ding. Im Ziel gibt es erstmal alkoholfreies Weizen for free. Na da hat sich doch das Rennen schon gelohnt. Eine Viertelstunde später kommt dann Philipp Reiter ins Ziel. Er hat den Ultratrail gewonnen. 100 km in 11:11 Stunden. Was für eine Leistung. Aber glücklicher als wir kann er auch nicht sein :-)

Nach dem Rennen sind wir dann erstmal ins Hotel. Ein bisschen entspannen, duschen, etc. und so 2 Stunden nach der Zielankunft waren wir auch wieder einigermaßen hergestellt um nochmal nach Garmisch zu fahren, dort eine Kleinigkeit zu essen und den Tag revue passieren zu lassen. Jetzt klarte sogar der Himmel nochmal auf und belohnte uns mit einem schönen Sonnenuntergang. Nach einem gepflegten Weißbier (endlich mal wieder mit Alkohol 😉 ) sind wir dann nochmal aufs Renngelände zum Ziel gefahren und haben noch 1-2 Stunden den Zielankömmlingen zugejubelt. Man muss ja wissen, dass Normalsterbliche für den Super- und Ultratrail bis zu 15 bzw. 24 Stunden brauchen. Die laufen also quasi mitten in der Nacht ins Ziel, Zielschluss war Sonntag Morgen um 9.00 Uhr. Und gerade die haben es verdient nach der Leistung noch ein bisschen Applaus zu bekommen. Gegen 0:00 Uhr war dann aber für uns der Ofen aus und es ging zurück ins Hotel und mehr als zufrieden ins Bett.

Ein super Tag. Er super Rennen. Eine super Veranstaltung. Super Super Super. Gerne wieder.

Hier die Strecke: http://www.gpsies.com/map.do?fileId=pyjynebfsmxxuyko