Am Samstag stand der Madeira Ultra Trail auf dem Programm. Wie bereits im Beitrag zu Tag 1 erwähnt jedoch nicht als Teilnehmer, sondern nur als Zuschauer. Dazu machten wir uns nach dem Frühstück auf zum Pico do Arieiro. Das ist mit 1818m der dritthöchste Berg Madeiras, Startpunkt für die 40k Strecke des MIUT und Durchgangsstation für die beiden längeren Strecken.

Da Google Maps bei seiner Zeitkalkulation recht optimistisch war und wohl die steilen Bergstraßen nicht einberechnet hatte (oder die ängstlichen Autofahrer), wurde es zeitlich sehr knapp. Aber dann spielte uns in die Hände, dass der Start ca. 100 Hm unterhalb des Gipfels lag und so schafften wir es gerade noch rechtzeitig 2 Minuten vor dem Knall an die Startlinie. Ich fand sogar noch Robert von www.trailstripsrelax.de, den ich zuletzt in Tromso getroffen hatten. War auch nicht schwer, wenn jemand mit 2m wie ein Leuchtturm zwischen vielen kleinen Portugiesen steht :). Kurz Hallo gesagt, Foto gemacht und schon ging es los für die Jungs und Mädels. Munter hinein in die Nebelsuppe. Leider war dichter Nebel aufgezogen, so dass man zeitweise keine 50m blicken konnte.

Wir hängten uns an die letzten Läufer dran, die zunächst den kurzen Anstieg zum Pico do Arieiro bewältigen mussten, bevor es dann für sie auf einen langen Downhill ging. Wir hingegen wollten weiter zum Pico Ruivo, den Ultraläufern entgegen, die von dort kommen würden. Wir grübelten kurz ob das bei der Sicht überhaupt Sinn machen würde, zumal auch ein echt kalter Wind pfiff und ich in Short unterwegs war. Aber wir entschieden uns (zum Glück) dafür.

Um es kurz zu machen: Der Weg zum Pico Ruivo ist einfach gigantisch. Er führt durch eine zerklüftete Bergwelt entlang auf dem ein oder anderen Grat, jedoch immer mit Geländern versichert und für jeden begehbar. Leider war die Sicht teilweise gleich Null, aber man konnte schon erahnen, was die Landschaft hier an Ausblicken für einen bereit hält. Man muss sich jedoch auf viele Stufen gefasst machen. Auch eine Stirnlampe ist nicht verkehrt, denn man muss einige lange Tunnel durchqueren. Die sind zwar schnurgerade und man kommt auch ohne problemlos hindurch, aber man wird evtl einige Pfützen mitnehmen, wenn man nur das Licht am Ende sieht und sonst nix. Die Strecke umfasst ca. 6km und man steigt zwischendurch auf ca. 1500 Hm ab um dann wieder auf den 1868 Hm hohen Pico Ruivo anzukommen. Bald kamen uns auch die ersten Läufer entgegen. Zunächst einige von der 85k Strecke, dann auch die ersten 115er. Immer wieder erstaunlich wie fit die Jungs an der Spitze aussehen, auch wenn sie schon 1 oder 2 Marathons mit 1000den Höhenmetern in den Beinen haben. Krafteinteilung nennt man das wohl … zu diesem Zeitpunkt hätte ich nur leider relativ wenig zum Verteilen übrig.

Als wir nach gut 2,5 Std. den Pico Ruivo erreichten, klarte dann die Sicht langsam auf und gab erste Blicke frei. Sollte mir recht sein, denn ich musste eh wieder den gleichen Weg zurück. Mein Bruder hatte genug von den Stufen und entschied sich einen flacheren Abstieg am Pico Ruivo zu nehmen. Mir kam die Aufgabe zu zurück zu rennen, das Auto zu holen und ihn dann irgendwo einzusammeln. Ohhhhhhhhhhhh Yes. Los ging die wilde Fahrt und ich gab im Downhill direkt Gummi. Die Sicht wurde immer besser, ich war fit, ich pretsche voran und es machte einfach Spaß. Schon nach 1-2 Minuten schnappte ich mir den ersten Läufer. Als ich ihn quasi im Sprint überholte um schnell vorbei zu kommen, schaute er mich müde und verdutzt an … und plötzlich fühlte ich mich wie ein Hochstapler … oder einfach wie ein Depp.

Ich stellte mir vor, ich wäre der Läufer: Da habe ich 70 km und 3000 Hm in den Knochen und bin fix und fertig, kämpfe mit mir und der Welt. Plötzlich sehe ich von hinten jemanden lockeren Schrittes ankommen und frage mich „Wieso ist der so fit und ich so kaputt? Wie soll ich da die letzten 45 km schaffen? Unmöglich. Ich Schwächling. Verdammt, der kommt ja voll schnell näher. Ich muss auch mehr Gas geben … Omg Omg Omg“. Und dann zieht der Läufer freundlich grüsend vorbei und sagt „Dont‘ worry. I’m not a racer, I’m just here for hiking“ …. Arschloch.

Keine Ahnung ob ich wirklich so denken würde, aber jedenfalls fühlte ich mich schlecht. Besser machte es auch nicht die Tatsache, dass mir die nächsten Wanderer zujubelten. „I’m no racer!“ Oder dass mich Streckenposten netterweise auf meine verloreren Startnummer aufmerksam machten „I’m no racer!!!!“. War ja auch kein Wunder, ich war ja auch komplett in Laufklamotten unterwegs, also schwer als „normaler Wanderer“ zu erkennen. Ich musste mir was überlegen. Also ging ich dazu über nur zu rennen, wenn mich keiner sah und auch kein anderer Läufer in Sichtweite war. Kam jemand in Sicht, machte ich auf Tourist und schoss Fotos. Blieb mit Absicht lange stehen um bloß nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich hier mitrennen würde. Natürlich wurde so das Überholen von anderen Läufern und somit ein schnelles Vorankommen erschwert. Einmal unterhielt sich ein Läufer mit nem Streckenposten. Kurzsprint vorbei und dabei den Läufer anfeuern. „You’re looking so strong. Great effort mate“ (diese nette Lüge habe ich beim Squamish50 gelernt 😉 ). An andere habe ich mich mit gezückter Kamera rangesaugt und quasi beim Überholen geknipst um vielleicht so zu wirken, als wäre ich ein offizieller Fotograph des Rennens oder sowas. Ich versuchte einiges und am Ende war es alles total affig. Wenigstens sind einige Fotos dabei rausgesprungen.

Trotz erschwerter Bedingungen war ich nach ca. 1:15 Stunde wieder am Auto. Jetzt hieß es einmal um den Berg rum und meinen Bruder einsammeln. Dank Smartphone und Google Maps ging das erstaunlich einfach und wir ließen den Tag dann mit einem kurzen Besuch im Zielbereich ausklingen.

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