Heute ist unser erster kompletter Tag hier in Squamish. Nachdem wir den gestrigen Abend hauptsächlich mit Burgern und Bier verbracht haben, stand heute die erste Tour auf dem Programm. Und da liegt nichts näher als auf den Stawamus Chief, markantester und bekanntester Berg rund um Squamish, zu gehen, klettern, wandern oder zu rennen. Jeder so wie er mag, ist alles drin. Für den einen sollte es ein lockeres Einlaufen werden um „den Flug aus den Knochen“ zu bekommen, für den anderen eine handfeste Standortbestimmung. Wer wer ist, kann jeder versuchen selbst herauszufinden ;-).

Die Nacht war für uns relativ kurz. Trotz 3 Weißbierinfusionen mit 7,7% und massiver Bettschwere haben wir uns schon das erste Mal so gegen 4 Uhr „Guten Morgen“ gesagt. Jetlag und so, wir werden auch nicht jünger. Danach wurde noch ein bisschen gedöst aber um 6:30 war dann endgültig Schluß. Dennoch fühlte ich mich überraschend fit. Nach einem netten Frühstück und gaaanz langsamem Fertigmachen gings dann gegen 9:20 auf den Weg. Der führte uns zunächst 3-4 Kilometer flach durch Squamish und parallel zu einer Schnellstraße bis wir den Einstieg zum Trail auf den Chief erreichten. Noch schnell über einen kleinen Campingplatz drüber (nicht zu verwechseln mit unseren Campingplätzen: Hier sind einfach Nummern auf kleinen Flächen zwischen Bäumen angebracht, auf denen man sein Zelt errichten darf) und schon stehen wir am Einstieg zum Stawamus Chief.

Es geht direkt mit Treppenstufen los. Also möglichst schnell möglichst viele Höhenmeter gewinnen und möglichst viel Kraft verballern. Irgendwo zwischen der 3. und 4. Stufe sehe ich ein, dass das hier mit hochrennen auf die Dauer nix wird. Also ins schnelle Gehen wechseln, Hände zur Hilfe bei jedem Schritt auf die Oberschenkel stemmen und ab dafür. Nach einiger Zeit werden aus den Holztreppen dann Felsstufen. Dasselbe in grün aber trotzdem irgendwie interessanter zu laufen. So geht es nach oben und ich bin mit dem Tempo, das mir meine neue GPS Uhr anzeigt sehr zufrieden. Ich glaube so schnell bin ich noch nie irgendwo hochgeprescht. Doch da ist ja noch dieser Steve: Rennt vor bis er außer Sicht ist, fotografiert einen wenn man hochkommt. Kaum ist man da, rennt er wieder weg. Die Gefühle während dieser Art des Aufstiegs schwanken von Topmotivation (vor allem wenn gerade andere Leute in Sicht sind) bis zur mentalen Selbstzerstörung, weil man sich selbst unfit, fett und lahmarschig findet. Wie dem auch sei: Am Ende waren wir sackschnell am Ziel, mein Tacho zeigt 38 Minuten reine Laufzeit für knapp 550 Höhenmeter (ohne die ganzen Fotopausen). Hätte nicht gedacht, dass ich dazu im Stande bin. Also Steve, weitermachen.

Auf dem ersten von 3 Gipfeln auf 610 Hm angekommen (der Chief hat wie der Watzmann drei Spitzen) zeigt sich, dass sich die Reise jetzt schon gelohnt hat. Geiles Wetter, geile Aussicht, Geilomat. Rundherum Berge, im Hintergrund ist noch Schnee zu sehen und direkt unter uns der Pazifik. Und wir mittendrin. Krasses Ding. Nach einer kurzen Pause auf dem ersten Gipfel geht es wieder ein bisschen zurück auf 400 Hm und dann an einer Abzweigung weiter auf den nächsten mit 655 Hm. Hier wird das Gelände dann anspruchsvoller. Es wird ein bisschen geklettert, geht über glatte Felsen steil bergauf und ab und an sind auch mal ein paar Ketten als Kletterhilfen angebracht. In den Alpen hätte hier sicher ein Schild gestanden „Achtung alpiner Steig. Trittsicherheit und Erfahrung im hochalpinen Gelände unbedingt erforderlich. Absturzgefahr!!!“. Hier stand auch ein Schild: „This trail is not a walk in the park“. Coole, diese Kanadier.

Die Aussicht auf dem zweiten „Peak“ war noch gigantischer als beim ersten. Er ist ein bisschen höher, etwas besser gelegen und man kann sich wunderbar an eine Abbruchkante setzen und mal schön die Füße baumeln lassen. Dementsprechend haben wir hier auch eine längere Pause eingelegt und einfach mal das Leben genossen. Nach 30 Minuten war dann die Nummer 3 fällig. Hier musste man zwischendurch zum Glück nicht besonders weit absteigen und nach kurzer Zeit waren wir auch da. Die Aussieht kann jedoch nicht mit den anderen beiden „Peaks“ mithalten, da der Gipfel ein bisschen bewachsen ist. Somit gab es keinen Grund zu einer weiteren Pause und wir haben uns gleich an den Abstieg gemacht.

Ursprünglich wollten wir einen anderen Weg runter nehmen. Jedoch haben wir diesen Weg trotz verschiedener Abstecher in die Wildnis samt noch mehr Kletterei nicht gefunden. Also ging es wieder ähnlich zurück wie wir hergekommen waren. Aber das war gar nicht so schlecht, denn dieser Stufenweg ist gemacht dafür am Ende mal so richtig Gas zu geben. Steve vorneweg, ich todesmutig hinterher. Ganz kann ich das Tempo nicht mithalten, aber er bleibt immer in Sichtweite, auch ohne Fotopause. Ich bin stolz. Auf das irrwitzige Tempo und auf die Tatsache, dass ich niemanden umgerannt habe, denn nun sind deutlich mehr Menschen beim Aufstieg als heute Morgen. Wieder unten am Campingplatz angekommen wird erstmal ein Liter Wasser getrunken und dann gehts wieder über die Straße zurück. Jetzt merke ich die Beine und auch sonst alles. Die Straße macht noch ein paar Wellen hoch und runter und jetzt tut mir jeder Mini-Anstieg so richtig weh. Aber gehen gilt hier nicht, das ziehen wir jetzt durch. Nach 4 Stunden erreichen wir dann unser Ziel des Tages: McDonalds. Ein BigMac und All-you-can-drink macht alle Schmerzen vergessen. Geile Tour wars. Ob ich Morgen wieder so ne Runde pack, werden mir meine Knochen wohl spätestens nach dem Aufstieg mitteilen. Aber Steve hat sich wenigstens „den Flug wieder rausgelaufen“ 😉

Leider hatte ich die Technik noch nicht so ganz im Griff und hab mehrmals vergessen wieder die Aufzeichnung zu starten. Deshalb fehlt z.B. der Aufstieg zum 2. Peak fast komplett :(. Aber der Rest der gelaufenen Strecke gibt es hier:
http://www.movescount.com/moves/move16502777

Und Steves Blogbeitrag ist hier: http://www.uptothetop.de/2013/07/29/trailrun-over-the-stawamus-chief/